Gender-Deutsch

Gendern Sie? Falls ja, woher wissen Sie eigentlich, wie man das richtig macht?

Als Texterin, die sich naturgemäss mit allen Aspekten der Sprache befasst, verfolge ich die Diskussion ums richtig Gendern aktiv. Wenn ich einen Artikel zum Thema entdecke, lese ich den – mitsamt den dazu gehörenden Meinungen der User. Es ist interessant, festzustellen, dass sich namentlich die weiblichen Mitmenschen (Mitmenschinnen?) nicht angesprochen fühlen, wenn nur die vermeintlich männliche Form verwendet wird. Für mich stellt sich in diesem Zusammenhang die Huhn-Ei-Frage: Was war zuerst: Dass sich die Frauen nicht angesprochen fühlten? Oder haben sie aus Kreisen, die sich für die Gleichstellung einsetzen, über die Jahre genug oft eingeflösst bekommen, dass sie sich nicht mitgemeint fühlen dürfen?

Genderdeutsch macht einen Text schwerfällig
Ich gebe es zu: Auch ich finde, dass ein Text durch das Gendern weniger gut lesbar ist. Es ist mir klar, dass mir nun zahlreiche Genderbefürworter vehement widersprechen. Doch es ist so: In aller Regel verwende ich in meinen Texten nur eine Form. Mit Ausnahmen natürlich – vor allem dann, wenn ich Männer und Frauen direkt anspreche. Ich weigere mich aber, in Texten mit Schrägstrichen, Underlines, Sternchen und Grossbuchstaben zu arbeiten, um sicherzustellen, dass alle mitgemeint sind. Denn diese Hieroglyphen – man kann es drehen und wenden, wie man will – hindern den Lesefluss.

Das generische Maskulin
Namhafte Sprachexperten berufen sich gerne auf das generische Maskulin und weisen darauf hin, das weibliche Geschlecht sei mitgemeint. Eine blitzsaubere Argumentation, finde ich. Dennoch eine zwiespältige Sache. In manchen Fällen greift dieses Argument tatsächlich etwas kurz – beispielsweise bei Berufsbezeichnungen wie Pilot oder Arzt. Das «einfach Mitmeinen» ruft naturgemäss Frauen auf den Plan, denen das nicht reicht. Manchmal haben sie durchaus recht, wenn sie auf einer explizit weiblichen Form beharren. Doch Sinn ergibt das Gendern längst nicht immer und das geht in der Diskussion oft unter. Die ganze Sache erscheint mir ziemlich vertrackt.

Offene Fragen zum richtig Gendern
Wenn ich für Kunden schreibe, passe ich mich selbstverständlich ihren Wünschen an. Verlangen sie gegenderte Texte, habe ich genau das zu liefern, unabhängig meiner Präferenzen. Deshalb habe ich ein bisschen Recherche betrieben und versucht, mich schlauzumachen. Dabei sind reihenweise Fragen aufgetaucht, die ich hier mit Ihnen teilen will. Und nein, ich habe darauf keine Antworten gefunden.

• Verbindliche Regeln und Richtlinien zum Gendern fehlen. Der Duden gibt uns dazu bis heute keine Anleitung. Welche Instanz bestimmt also, was sprachlich korrekt ist?
• Dürfen wir willkürlich gendern? Ist alles korrekt, wenn nur die weibliche Form auf irgendeine Art mitgeschrieben oder dargestellt wird?
• Hat das Gendern etwas mit Political Correctness zu tun? Oder anders gefragt: Ist das Gendern hauptsächlich was für Politiker? (Die können damit nämlich wortreich übertünchen, dass sie eigentlich gar nichts sagen. Dabei aber an alle gedacht haben).
• Wann gendern wir eigentlich? Nur bei männlichen Formen? Und auch da nicht immer? Weshalb?
• Warum müssen wir Patienten und Patientinnen oder Konsumenten und Konsumentinnen im Plural gendern? Hier ist der männliche Singular nicht identisch mit dem Plural: der Patient, die Patienten. Konsumenten dito. Warum darf man sich da als Frau nicht angesprochen fühlen? Solche Beispiele gibt es zuhauf.
• Wer entscheidet überhaupt, wann man nicht gendern kann? Gibt es ein weibliches Wort für Mensch? Wie gendert ihr Person? Kind? Teenager? Star? Staatsmännisch?
• Was ist mit «der Vamp»? Hier ist immer eine Frau gemeint. Ändern wir einfach den Artikel? Oder die Waise? Das Wort beschreibt ein Junge ODER ein Mädchen ohne Eltern.
• Erscheint euch die Anrede «Liebe Mitglieder und Mitgliederinnen» korrekt? Im Singular heisst es das Mitglied. Die Mitgliederin gibt es (noch) nicht? Oder doch?
• Ist es Pflicht, beim Gendern immer zuerst die weibliche und dann die männliche Form zu erwähnen? Und falls ja, weshalb?
• Unterlaufen Ihnen beim Gendern keine Fehler? Gegen Satzmissgeburten wie «Nur 20 % aller Managerinnen sind Frauen» sind Sie gefeit?
• Wo ziehen wir eine Grenze? Das dritte Geschlecht, also Menschen der Kategorie «divers», ist ja ebenfalls zu berücksichtigen. Und das soll einen Text nicht aufblähen? Echt jetzt?
• Könnte man bei den Pluralformen nicht von einem schönen Kompromiss sprechen? Denn der bestimmte Pluralartikel ist IMMER identisch mit dem weiblichen Singular!
• Ist es nicht seltsam, dass es ausgerechnet in deutscher Sprache, wo das Gendern mitunter seltsame Blüten treibt, keine weibliche Form für die deutschen Frauen gibt? Oder ist der Begriff Deutschin bereits «in Betrieb»?

Übrigens, an männlichen Formen können sich auch die Englischsprachigen reiben: Es gebe keinen Grund, weshalb es History heisse – Herstory sei mindestens genauso adäquat.

In diesem Sinne, liebe Leserin, lieber Leser, gendern Sie gut.