Dienstleistungen: Der Mensch macht den Unterschied

Ich hab’s mit Dienstleistungen und damit einhergehend mit der fehlenden Kundennähe vieler Dienstleistungsbetriebe. Ich weiss, wovon ich rede – nicht nur bin ich selber eifrige Konsumentin. Zeit meines Berufslebens bin ich im Dienstleistungssektor aktiv gewesen. Wie heute Kundendienste organisiert sind, find ich einfach nur zum Heulen. Beispiele gefällig?

Es lebe die computergesteuerte Welt
Ich war mit einer Freundin aus Schweden in Canada im Urlaub. Wir hatten separat gebucht und wollten auf dem Transatlantikflug nach London zusammensitzen. Eine tollkühne Idee, ich weiss. Die Gratisnummer von Air Canada führte geradewegs zu einer Schwester von Siri. Ich musste einer metallisch klingenden Computerstimme zahlreiche Fragen beantworten, um den nächsten Level zu erreichen. Da frag ich mich jetzt schon, wozu es eigentlich Computerspiele braucht – wenn ein simpler Anruf zu einer Airline derart spannend aufgebaut ist. Lebensnaher gibt es für Spieler garantiert nichts auf dem Markt. Allerdings war für mich, völlig ungeübte Gamerin, bereits nach kurzer Zeit kein Weiterkommen mehr. Und zwar war beim Benennen der Destination meines Fluges jeweils Endstation: Scheinbar sprach ich London mit einem derartig schlechten Akzent aus, dass der Computer – mein charmanter Gesprächspartner – die Destination nicht identifizieren konnte. Dies aber nur, wenn ich sie zwei Mal nacheinander aussprechen musste: „Meinen Sie London, Ohio oder London, London?“ Ich beantwortete die Frage gewissenhaft mit London-London – und bekam zur Antwort, man könne die Destination nicht identifizieren. Meine Reisekumpanin wollte auch mal ein wenig gamen und versuchte es ebenfalls. Und alle Achtung: Sie erreichte den höchsten Level und kam durch bis zum grossen Finale – um nach 15 Minuten Frage-Antwort-Spiel herauszufinden, dass wir um 23.50 abfliegen werden. Heureka! Nach der kurzen Freude über den Erfolg, durchgekommen zu sein, folgte sofort der Frust. Denn a) wussten wir bereits, wann wir abfliegen würden und b) war das nicht die Frage. Dennoch: Es ist wunderbar mit Computern zu kommunizieren.

Am Flughafen arbeiten Menschen
Also hofften wir, am Check-in-Schalter zwei Sitze nebeneinander zu bekommen. Doch weit gefehlt. Da standen „Wachhunde“, die uns den Gang zu den träge am Check-in-Schalter vegetierenden Flughafenmitarbeitern verweigerten. Zum Einchecken gäbe es da so Maschinen. Man helfe uns, wenn wir nicht wüssten wie. Wussten wir schon, doch wir wollten Sitze beisammen. „The machine will do it“ – das Apparätchen würde uns zusammensetzen. Also gut. Nun, ich bekam einen Sitz in der Reihe 12 – die Freundin in 37. Nebeneinander sieht anders aus, oder? Am Gate sahen wir dann ein menschliches Wesen sitzen, das nicht von irgendwelchen Bodyguards abgeschirmt wurde, sodass um Himmels willen kein Passagier vor ihm aufflaggte und etwas wollte. Bereits völlig eingeschüchtert fragten wir, ob wir kurz stören könnten – und bekamen ein aufmunterndes Lächeln zur Antwort. Wir brachten unser Anliegen vor, bekamen ein kurzes „Sicher doch, kein Problem“ zu hören und hatten innerhalb 30 Sekunden zwei Sitze zusammen. Aufsummiert haben wir uns zwei Mützen voll grün und blau geärgert, etwa 45 Minuten Zeit vertrödelt und mit einem Mitarbeiter beim Check-in herumgestritten für etwas, das von einem Menschen in 30 Sekunden hätte erledigt werden können. Lächeln inklusive!

Kommunikation mit einem modernen Kundendienst
Anderes Beispiel: Ich bekam von einem Versandhaus eine Zahlungsaufforderung für 15 Franken. Keine Ahnung, was das sein sollte. Ich war überzeugt, keine Ausstände zu haben und fragte nach. Zuerst bekam ich die Eingangsbestätigung mit einer Ticketnummer. Nach 48 Stunden kam eine Meldung, man sei daran, die Anfrage zu bearbeiten. Nach nochmals 24 Stunden hiess es, ich könne das auf dem Internet nachsehen. Und man stehe für Fragen gerne zur Verfügung. Sehr nett. Ich tat, wie mir geheissen und stellte fest, dass ich zum „im Internet Nachsehen“ ein Konto hätte einrichten und selber verwalten müssen. Für mich ein No-Go. Also schrieb ich eine neue Mail, dass ich mich weigerte ein Konto einzurichten – und dass ich einen Kontoauszug erwartete. Ich bekam erneut eine Mail mit Ticketnummer, nach 48 Stunden eine Meldung, man arbeite an der Antwort und nach nochmals 24 Stunden erneut die Nachricht vom Nachsehen im Internet. In der Zwischenzeit kam die zweite Zahlungsaufforderung rein. Ich schrieb erneut, ich würde ohne Kontoauszug nicht bezahlen. Und ihr erratet es: Mail 1 mit Ticketnummer, nach 48 Stunden die zweite Meldung, danach der Hinweis auf mein Konto auf der Webseite. Alles wie gehabt. Ich gab auf und wendete mich anderen Dingen zu. Es ging nicht lange, da kam erneut die Zahlungsaufforderung. Der Hinweis, wonach ich auf die Mahnungen nicht reagiert hätte, und man sich jetzt gezwungen sehe, ein Inkassobüro einzuschalten, gab mir den Rest. Ich bezahlte, schrieb dem Kundendienst aber, er solle mich sofort von der Kundenliste streichen. Und wieder: Ich bekam eine Empfangsbestätigung mit einer Ticketnummer, nach 48 Stunden die zweite Meldung – und dann nichts mehr. Zwei Tage nach der Überweisung wurde mir für meine Zahlung gedankt – und man wünschte mir weiterhin Freude beim Shoppen – nicht ohne Hinweis, dass ich mein Konto auf der Webseite selbst verwalten könne.

Produkte sind austauschbar
Da Produkte austauschbar sind, fällt es mir leicht, eine Alternative zu diesem Versandhaus zu finden. Was die Häuser unterscheidet, ist der Kundenservice. Und es will mir nicht in den Kopf: Die Konkurrenz ist gross, die Marge klein und die Konsumenten sprunghaft. Wieso kapieren die Unternehmen nicht, welch wichtigstes Kapital die Mitarbeiter sind? Denselben Markenartikel kann ich an unzähligen Orten erstehen. Also gehe ich dahin, wo ich am kompetentesten beraten werde. Doch statt solches Potenzial zu nutzen, wird hier gespart. Tiefe Löhne, schlecht ausgebildete Mitarbeiter, Call Center in Osteuropa oder Indien – mit welchem Resultat? Die Kunden sind frustriert und unzufrieden.

Der einzig wahre USP ist der Mensch
Alle (Marketing-)Welt redet vom USP – vom Alleinstellungsmerkmal, das es braucht, um im steifen Gegenwind des harten Marktumfelds bestehen zu können. Die meisten Firmen saugen sich hanebüchene Verkaufsargumente aus den Fingern und versuchen, diese mit biederen Werbekampagnen an den Konsumenten zu bringen. Ich behaupte: Hans was Heiri. Der einzig wahre USP sind die Mitarbeiter. Sie geben einer Firma ein Gesicht. Weshalb nicht mehr Unternehmen diese wertvolle Ressource nutzen, entzieht sich meiner Vorstellungskraft. Wer hier investiert und der allgemeinen Anonymisierung im Dienstleistungssektor dienstleistungsorientierte Menschen entgegensetzt, verfügt über den besten USP, den es gibt. Ausser ein paar Imagekampagnen mit Bildern von sympathischen Mitarbeitern, denen jedoch keine Taten folgen, scheint sich in diese Richtung leider nichts zu bewegen. Und so werden Kunden weiterhin sprunghaft sein und halt dort einkaufen, wo a) der Preis stimmt und b) man am wenigsten schlecht bedient wird.