Das Leben als Freelancerin

Wenn ich nach meinem Beruf gefragt werde und erkläre, dass ich als freiberufliche Texterin tätig bin, werde ich oft neidisch angeguckt. Neidisch nicht, weil viele beim Beruf des Texters ins Schwärmen geraten. Viele wissen nämlich gar nicht so recht, was ich als Texterin den ganzen Tag so tue. Aber das Thema behandle ich dann in einem separaten Blog. Das Zauberwort lautet „freiberuflich“.

Meine Gesprächspartner schwärmen dann, wie toll das sein müsse. Sie argwöhnen, dass ich mir meine Zeit selber einteilen kann, kein Chef mir sagt, was ich zu tun habe und ich mich nicht mit unfähigen Kollegen rumschlagen muss. Vom Dichtestress auf dem Weg zur Arbeit ganz zu schweigen. Hudelt es draussen, höre ich ab und zu, es müsse fantastisch sein, jetzt im Schlabberlook mit dem Laptop auf den Knien vor dem Cheminéefeuer zu hocken und ein bisschen in die Tasten zu hauen. Oder im Sommer die Frage: „Du bist wohl in der Badi, haha“! Auch denken viele, ich könne am Nachmittag einfach mal blau machen – es sei wohl kein Problem, das am Abend nachzuholen. Oder nichts hindere mich am ständigen Reisen – ich könne ja überall auf der Welt schreiben – als „digitaler Nomade“ sozusagen. Okay, ich geb’s ja zu: Ist alles möglich.

Dennoch so einfach ist es nicht. Nicht jeder ist für ein Leben als Selbstständiger gemacht. Wie alles hat auch das Dasein als Freiberufler seine Schattenseiten.

Erste Herausforderung: Disziplin
Ja, es kann toll sein, den ganzen Tag in Trainerhose, ausgebeultem Pulli und Kuschelfinken vor dem Bildschirm zu hocken. Doch ich verrate euch ein Geheimnis: Den besten Drive entwickle ich dann, wenn ich früh aufgestanden bin, vor halb acht eine Runde trainiert habe und um 8.00 Uhr (kalt) geduscht sowie adrett angezogen auf meinem Bürostuhl throne. Dann kann’s losgehen. Mit dem Schlendrian beim Aufstehen vergesse ich meist auch, die Handbremse zu lösen. Ich komm dann einfach nicht in die Gänge. Und wunderbare Dinge, um mich abzulenken, hab ich zu Hause zu Hauf. Auch um tagsüber dranzubleiben, braucht es Durchhaltewillen, um die Durchhänger, die jeden von uns täglich mehrmals heimsuchen, zu überstehen – vor allem dann, wenn man gerade nicht in der Arbeit ersäuft.

Zweite Herausforderung: Inspiration
Höre ich Freunden und Bekannten zu, sind Kollegen generell alle mit ein und derselben Eigenschaft ausgestattet: Sie nerven. Weil sie nicht drauskommen. Der Chef auch nicht. Und überhaupt. Dabei wird oft unterschätzt, wie viel Inspiration man aus zwischenmenschlichen Kontakten schöpft. Und sei es nur, dass man herausfindet, wie man etwas NICHT machen will. Es ist wichtig, dass man seine Ideen mit jemandem besprechen kann. Eine Zweitmeinung zu hören, ist von unschätzbarem Wert. Jemandem zum Klönen und Lästern zu haben, ist purer Seelenbalsam. Wenn ich über meinen Chef fluche, fluche ich über mich selbst. In Zeiten von Mail, Internet und Social Media ist die einzige Stimme, die ich während eines Arbeitstages höre, oftmals die Meine, wenn ich mir meine Texte laut vorlese. Ich tue das übrigens nicht, weil ich eine menschliche Stimme hören will, sondern weil das eine perfekte Methode ist, um seine Texte korrekturzulesen. Probiert’s mal aus. Aber ich schweife ab.

Dritte Herausforderung: Soziale Kontakte
Sozial eingebunden zu sein, ist von unschätzbarem Wert. Wer in einem Team arbeitet oder an der Kundenfront steht, muss nichts dafür tun, um unter die Leute zu kommen – zumindest nicht während der Arbeitswoche. Sei es die Kaffeepause mit einem Kollegen, den Lunch mit einem Kumpel, das Feierabendbier mit einem Freund – für Freelancer Fehlanzeige. Sie kennen weder Weihnachtsessen mit der Firma, noch den Firmenausflug mit dem Team oder gemeinsame Freizeitprojekte wie beispielsweise mit einem Team von Arbeitskollegen einen Marathon abzuspulen. Wenn sie Glück haben, gibt’s mal einen Kaffee bei oder einen Arbeitslunch mit einem Kunden. Glückliche Freiberufler besitzen eine Katze, die sich manchmal auf die Tastatur legt, dabei ein paar Dokumente umbenennt und sich den Bauch kraulen lässt. Doch mit der lässt sich kein Grümpelturnier bestreiten.

Vierte und wichtigste Herausforderung: kein geregeltes Einkommen
Wenn ich mit anderen Freiberuflern diskutiere, wird klar: Daran gewöhnt man sich nie. Während andere am Ende des Monats jeweils eine gut bestückte Lohntüte nach Hause tragen, weiss der Freelancer nie, wie viel Geld es ihm in die Kasse spült. Die Auftragsbücher gleichmässig zu füllen, lässt sich schlicht nicht planen. Mal ersäuft man in der Arbeit, um dann plötzlich untätig Däumchen zu drehen. In solchen Momenten glaubt man nicht daran, dass je wieder ein Auftrag reinkommt. Das zerrt ganz schön am Selbstwertgefühl. Am Abend schlüpft man frustriert ins Bett und weiss morgens nicht, wozu aufstehen (siehe Disziplin).

Und doch: Ich würde meinen Alltag nicht tauschen wollen: Wieso?

Ihr wisst schon. Am Morgen aus dem Haus gehen müssen, Dichtestress auf dem Arbeitsweg, doofe Kollegen, unfähige Chefs und so. Ich kann meine Arbeit einteilen, wie ich will, am Nachmittag mal in die Badi gehen und überall auf der Welt meinen Job erledigen. Aber vor allem ist es famos, sein eigener Herr und Meister zu sein. Genial, wenn man seine eigenen Ideen verwirklichen kann und einen Job hat, der einem wirklich am Herzen liegt. Das alles wiegt die negativen Seiten auf. Für Inspiration und den nötigen Drive arbeite ich jetzt regelmässig in einem urbanen Co-Work-Space, wo man sich dem dynamischen Start-up-Ambiente nicht entziehen kann. Das lässt sich prima mit dem Feierabendbier oder dem Lunch mit Freunden verbinden. Gleichgesinnte, mit denen man sich austauschen kann, findet man in Verbänden, Netzwerken und Interessengemeinschaften. Und Flautezeiten kann ich ideal nutzen, um neue Ideen auszuhecken, Wunschprojekte anzustossen oder ein paar Blogs oder „Instaposts“ auf Vorrat zu schreiben.

Nur für die gleichmässig gefüllte Lohntüte habe ich noch keine Lösung. Aber da könnt ihr abhelfen, indem ihr beim Aufträge Verteilen an hart und mit Herzblut arbeitende Freelancer denkt. Für euch lässt er die Badi sausen, zieht sich nett an und steht auch schon um 7.30 in der überfüllten S-Bahn, um euch zu treffen. Vorab: Herzlichen Dank für Ihren Auftrag.